El Chaltén

01.11.2019 Gobernador Gregores – El Chaltén

Das erste Mal hören wir von Los Malditos 72 – den Verfluchten 72 – von Tom in Cafayate, als die Patagonien Idee geboren wurde. Diejenigen, die sie gefahren sind berichten stolz von ihren Erlebnissen und geben reichlich Ratschläge. Die anderen bekommen immer größere Sorgenfalten. Die Dramaturgie-Rangliste führt Christian aus Pucón an, der uns mit ernster Miene erzählt, dass hier Biker sterben. “We actually loose bikers here”, tönt er. Worum geht es? Um 72 Kilometer Schotterpiste oder Ripio wie der Argentinier sagt, auf dem Weg nach El Chaltén. Ziemlich viel Erde, die sich bei Regen in üblen Matsch verwandelt. Und tiefer Kies. Der Runde. Ja, es gibt Unterschiede. Kies ist rund und fährt sich so gut wie Sand. Dann gibt es Schotter, der ist kantig, und auf dem kann man ziemlich bequem fahren.

Wir brechen früh auf, denn was uns mittlerweile mehr Sorgen als der Straßenzustand macht, ist der Wind. Und der ist morgens nicht so schlimm. Bis wir allerdings an besagter Stelle sind, zerren die Böen wieder heftig an unseren Helmen. In dem tiefen Kies ist es unmöglich die Spur zu halten. Wir fahren wohin der Wind uns schickt, meistens mitten durch den Schlamassel. 72 Kilometer können so ganz schön lang sein. Entnervt freuen wir uns, als Asphalt in Sicht ist. Dafür werden wir ab jetzt allen Bikern nördlich von Gobernador Gregores mit theatralischer Miene ungefragt gutgemeinte Ratschläge geben. Versprochen.

Kurze Zeit später sehen wir einen Argentinier vor uns rumschleichen. Wir halten an und erkundigen uns ob alles ok ist. Ganz aufgeregt fragt er nach einem Schave. Ein Schave? Hmm, stimmt wir sind wieder in Argentinien. Ergo sch = j. Also llave. Aha, er braucht einen Schlüssel. Nichts leichter als das. Andre holt den passenden Schlüssel aus seinem Werkzeug und der Kerl spannt seine Kette. Na wenn sichs mit gespannter Kette besser fährt, solls uns recht sein.

Das wars auch schon an Aufregern auf der heutigen Strecke. Ausser Pampa und Wind gibts hier nicht viel. Erst kurz vor El Chaltén kommen die Berge in Sicht und die letzte halbe Stunde haben wir ein Traumpanorama. Wir fahren direkt auf den Fitz Roy zu.

02.-06.11.2019 El Chaltén

Mit dem Wetter halten wir es so, wir fahren einfach der Sonne hinterher. Obwohl Karin immer noch jammert, weil es in Oregon und Washington State so kalt und naß war, können wir die Regentage an einer Hand abzählen. Auch in Patagonien hatten wir bisher mächtig Glück. In El Chaltén bekommen wir jetzt die Quittung. Waagrechter Regen. Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Ist uns aber egal, wir nehmen ein Apartment und machen es uns gemütlich.

Bei einem Spaziergang durch das Dorf treffen wir auf zwei Nordfriesen. Die lassen mal so richtig Dampf ab. Schlimm sei das hier in Südamerika. Seit zwei Monaten sind sie unterwegs mit ihrem Wohnmobil, aber die Distanzen hier sind ja furchtbar. Unendliche Fahrerei. Und dann diese Schotterpisten. Da scheppert und wackelt alles und man kann nicht schneller als 20 oder 30 fahren. Eigentlich wollten sie ja zwei Jahre durch Südamerika reisen, aber das hält ja keiner aus hier. Man sei ja nur am fahren und machen, machen kann man hier nichts, wenn man mal einen Stellplatz findet. Länger als ein Jahr halten sie das nicht aus. Etwas verdattert ziehen wir von dannen und wundern uns, wie unterschiedlich doch die Erfahrungen sein können. Zwei Jahre? Meine Güte, würden wir sofort nehmen.

Am Tag drei reisst der Himmel auf und wir machen die Fitz Roy Wanderung. Die Bergkette ist zweifellos eine der spektakulärsten Kulissen der Anden. Aber das hat sich herumgesprochen. El Chaltén ist ein Wandermekka und obwohl wir in der Vorsaison sind, gleicht der Wanderweg eher eine Wanderautobahn. Wir wollen uns nicht beklagen, sind ja selber hier. Aber die Atmosphäre ist eben eine andere als drüben auf der Carretera.

Am Tag vier folgen wir der Empfehlung unserer Gastgeberin und fahren mit einem Kleinbus 40 Kilometer an den Lago del Desierto. Wir müssen an die Nordfriesen denken. Es scheppert und wackelt alles. Nach anderthalb Stunden Quälerei über eigentlich recht passablen Ripio, sind wir froh auszusteigen. Hatten wir schon erwähnt, dass wir gerne mit dem Motorrad unterwegs sind? Zwei Stunden steigen wir zum Huemul Gletscher auf. Im strömenden Regen. Ist aber trotzdem schön. Es herrscht eine ganz eigene Stimmung, wenn Berge, Gletscher und Himmel miteinander verschmelzen.

Nach fünf Nächten wollen wir weiter, egal was das Wetter macht. Wir packen zusammen und fahren los. Kurz hinter El Chaltén scheint die Sonne. Geht doch.