Los Lagos

14./15.10.2019 Valparaíso – Pucón

Zwischen uns und Patagonien liegen 1.200 Kilometer. Die wollen wir jetzt hinter uns bringen. Das meiste davon auf einer Autobahn. Nichts langweiliger als das. Ganz nett sind noch die ersten 3 Stunden über die Ruta de la Fruta. Riesige Obstplantagen liegen links und rechts der Straße und wir begegnen einigen Marken wieder, die wir vom heimischen Obstregal kennen. Dole, Chiquita, DelMonte.

Kurz nachdem wir Valparaíso verlassen, brechen in Chile soziale Unruhen aus. In vielen Ländern Südamerikas keine Seltenheit, allerdings nicht in Chile. Hier hat es seit dem Ende der Diktatur nichts Dergleichen gegeben. Während wir durch die idyllische Landschaft fahren, ist uns gar nicht klar, dass genau hier eine der Ursachen für die Proteste liegt. Der gesamte Obsthandel wird von vier Marken beherrscht. Genau, die obigen drei und Unifrutti. Ein wenig beängstigend finden wir die Größe der Lagerhallen und Plantagen schon beim Vorbeifahren, aber das alles in den Händen von vier Firmen? Es ist nicht das erste Mal, dass wir solche Zustände antreffen. Überall das Gleiche. Ob kolumbianischer Kaffee, ecuadorianische Bananen oder chilenische Äpfel. Eine Hand voll Familien besitzen das Land und teilen unfassbare Gewinne unter sich auf.

Und während der Präsident die Senkung der Unternehmenssteuer verkündet, erhöht er die Ticketpreise der Metro. Dabei ist sie für die Chilenen unverzichtbar und verschlingt ohnehin schon einen Großteil ihres Einkommens. Einziges Ventil für die Bevölkerung sind die Aufstände. Was für ein trauriger Zustand. Vielleicht sollten wir unsere Weltkarte der drängendsten Probleme überdenken und Gerechtigkeit auf die oberen Plätze setzen. Von hier aus sieht unsere westliche Empörung über dies und das manchmal ziemlich zynisch aus.

Unser Zwischenhalt ist dann allerdings ein schönes Beispiel wie es anders geht. Wir finden ein Zimmer auf einem Weingut, das von zwei Südtirolern betrieben wird. Sie haben sich das Wissen für organischen Weinbau angeeignet und vermieten dazu noch vier Zimmer. Weil der Koch im Restaurant nicht ihren Südtiroler Ansprüchen genügte, haben sie auch noch die Küche übernommen. Und so sitzen wir völlig unvorbereitet am Abend vor einem Teller Schlutzer und können es kaum fassen.

Der nächste Halt wird wieder etwas rustikaler, wir besuchen das MotoCamp in Pucón von Christian. Er ist Architekt, hat die Welt auf seinem Motorrad bereist und nun hier ein Camp mitten im Wald nur für Biker gebaut. Wir genießen noch etwas die Ruhe auf der schönen Terrasse am Fluss und verziehen uns in unsere Stockbetten.

16.10.2019 Pucón

Christian versorgt uns mit Tipps für die Region um Pucón. Das Dorf ist hier ziemlich bekannt, es ist die touristische Hauptstadt der Region Los Lagos. Um drei der Lagos fahren wir heute herum. Auf mehr oder weniger guten Schotterstraßen sind wir völlig alleine und freuen uns über die Vulkane mit ihren Schneekuppen und die wunderschöne Natur hier. Zumindest bis sich uns zwei Stiere in den Weg stellen. Das ist für Nicht-Biker ganz lustig, aber gegen so einen Bullen hat man auf dem Motorrad ziemlich schlechte Karten. Und wenn der ungerührt mitten auf der Straße steht und Dich anstiert, dann stehst Du halt auch. Im Zweifel lange.

Zurück im MotoCamp hat Christian schon den Hottub eingeheizt. Und er stellt uns noch eine leckere Picada dazu. Der Mann weiß einfach was man nach einem langen Fahrtag braucht. Daran könnten wir uns gewöhnen.

17./18.10.2019 Pucón – Puerto Varas

Wir waren so fixiert auf Patagonien und die Carretera Austral, dass wir die Region Los Lagos völlig zu unrecht als Lückenfüller betrachtet haben. Es ist so schön hier, dass wir uns noch zwei Tage Zeit lassen und durchs Hinterland nach Puerto Octay fahren, vorbei an unzähligen Vulkanen und Seen, grünen Weiden und … Moment mal … das sieht ja aus wie … zuhause. Die ersten Bauernhöfe wie im Allgäu tauchen auf. Wir fahren an Bäckereien mit deutschen Namen vorbei. Die größte Brauerei heißt Kunstmann. Von Nadja erfahren wir in perfektem Schweizerdeutsch, dass viele Deutsche hierher immigriert sind. So ungefähr vor zwei, drei Generationen. Aha, soso. Wir hätten gerne mehr erfahren, aber sie kann uns leider kein Zimmer vermieten, der Kammerjäger war heute da.

Wir fahren also weiter nach Puerto Varas und finden dort ein nettes Hostel, in dessen Garten wir unser Zelt aufschlagen. Ein erster Spaziergang im Dorf führt uns am Schild des Deutschen Vereins vorbei. In Fraktur wohlgemerkt. Und hätten wir Lust auf Sauerkraut mit Schupfnudeln gehabt, kein Problem.

Wir bleiben noch einen Tag, füllen unsere Vorräte auf, genießen die Sonne. Und wir treffen Laura. Sie lebt in Patagonien und versorgt uns mit den richtigen Tipps für die Carretera. Jetzt wird’s aber Zeit.