Gocta – Kuélap

18.08.2019 Jaén – Gocta

Nichts wie weg aus dieser trostlosen, lärmenden Stadt. Unser Ziel: die Gocta Andes Lodge in Cocachimba in den Bergen. Sie verspricht einen spektakulären Blick auf den Gocta Wasserfall, immerhin der dritthöchste der Welt. Und nach den letzten Tagen freuen wir uns auf eine kleine Erholung.

Wir lassen Jaén rasch hinter uns und fahren an einem Fluß entlang durch ein schmales Tal mit hoch aufragenden Felsen. Eine tolle Strecke, wie gemacht für Motorradreisende. Komisch, wir vergleichen oft Landschaften mit Europa. “Sieht aus wie das Sellajoch, nur 100 Kilometer länger” oder “fast wie die Via Mala” schallt es dann durch den Funk. Seit Ecuador ist das weniger geworden und hier in Peru ist nichts mehr davon übrig. Die Landschaft hier ist schon nach zwei Tagen einzigartig, wir haben so bizarre Felsformationen, die sich mit weiten Canyons abwechseln, noch nirgends gesehen.

Ebenfalls einzigartig sind die peruanischen Fahrer. Kann man zwar überall nachlesen, aber wenn man den peruanischen Kampfmaschinen auf der Straße begegnet ist es doch nochmal was anderes. Es scheint, als mutieren hier die Männer beim Einsteigen in ihr Gefährt zu triebgesteuerten Bestien, die den letzten, entscheidenden Kampf um die Vorherrschaft auf der Straße führen. Kaum zu glauben, zu welcher Schräglage Reisebusse im Stand sind. Auf unseren Motorrädern ist das eine etwas zwiespältige Angelegenheit. Wir überholen leicht und schnell, passen durch die meisten Lücken und fahren an jeder Mautstation einfach rechts am Stau vorbei. Dummerweise führt genau das aber bei einigen peruanischen Fahrer zum totalen Blackout und sie wollen uns mit ihren Kleinbussen noch überholen, auch wenn die schätzungsweise 20 Insassen in akuter Lebensgefahr stecken.

Wir passieren eine selbstgebastelte Strassensperre, der Tip auf iOverlander ist einfach weiterfahren. Das finden die zwei Amateur-Arnold-Schwarzeneggers nicht witzig und rufen und gestikulieren uns wild mit ihren MG Attrappen hinterher. Egal, Gas geben und weiter gehts. Und dann Stau mitten im Nichts. Ein Erdrutsch? Es ist Trockenzeit, also eher nicht. Keiner weiß was genaues. Wir quatschen mit drei Amerikanern, die in Peru leben und Kaffeekäufer sind. Sie zeigen einem ihrer Kunden die Gegend und schwärmen uns von der Straße nach Cajamarca vor. Nach 10 Minuten geht es weiter und wir erblicken die Misere. Ein verunglückter, total demolierter Reisebus wurde aus dem Tal gezogen. Das ist schon der zweite innerhalb von zwei Wochen. Gerade hatten wir’s davon.

Die letzten Kilometer geht es off-road steil Bergauf und wir durchqueren ein typisches Bergdorf mit halbfertigen Häusern und Hütten um einen Dorfplatz herum. Am Ende liegt die Lodge mit Blick auf den imposanten Wasserfall. Die Anlage ist piekfein und wir sind ganz froh, dass noch eine Nacht frei ist und wir uns ein bisschen erholen können. Der Wasserfall wurde erst 2002 von einem Deutschen entdeckt, da die Einheimischen ihn wegen böser Legenden geheim hielten. Heute ist er ein beliebtes Wanderziel. Wie genießen bei einem Pisco Sour die Aussicht von der Terrasse.

19.08.2019 Gocta – Nuevo Tingo

Wenige Kilometer entfernt von Gocta liegt die Ausgrabungsstätte Kuélap und gilt als das Machu Pichu des Nordens. Bisher konnte man die Ruinen der rund tausend Jahre alten Chachapoyas Siedlung nur über eine mühsame Anfahrt weit hinein in das Andental erreichen. Vor zwei Jahren wurde die erste moderne Seilbahn Perus in Nuevo Tingo gebaut, mit der man die Stätte bequem in 20 Minuten erreicht. Wir sind neugierig und quartieren uns in der Hospedaje Gaia Blanca ein. Ein junges französisches Pärchen hat sich hier vor zwei Jahren niedergelassen. Der kleine Ort auf dem Plateau eines Berges rüstet sich für den Ansturm der Touristen. Manches scheint auf Dauer unfertig zu bleiben. Diese Phänomen begleitet uns in ganz Peru und ist für uns Schwaben völlig unverständlich.

Den Peruanern eilt nicht nur der Ruf voraus rücksichtslose Fahrer zu sein, sie werden auch nicht gerade für ihre Freundlichkeit gerühmt. Das bekommen wir auch hier zu spüren, als wir uns in einem kleinen Restaurant niederlassen. Auf die Nachfrage was hinter den Begriffen auf der Menükarte steht, ernten wir nur ein mürrisches Schulterzucken. Unsere Tischnachbarin widerlegt sogleich das Vorurteil und freut sich, dass sie mit uns englisch sprechen kann. Dank ihr bekommen wir doch noch was zu essen und erfahren, dass ihr Begleiter unweit von hier eine Kaffeefarm betreibt, die nur zu Fuß erreichbar ist. Da sitzt der Typ, modern gekleidet, rasiert, mit Smartphone und lebt so abseits, dass man eine Stunde Fussmarsch benötigt. Das ist einer der Momente, in denen wir die krasse Diskrepanz in diesem Land zu spüren bekommen. Wir tauschen unsere Telefonnummern für WhatsApp aus und verabreden uns auf einen Kaffee in Lima.

20.08.2019 Kuélap

Für uns Mitteleuropäer ist eine Seilbahn nichts besonderes. Aber hier ist sie eine Sensation. Entsprechend groß ist die Nervosität. Das bekommen wir schon am Ticketschalter zu spüren. Die Abfahrtszeiten sind streng geregelt und beim Einstieg werden wir noch auf die Sprechanlage für Notfälle hingewiesen. Wir fragen uns kurz was wohl passiert, wenn man diese betätigt, und schon geht es über ein steiles Tal hinab und auf der anderen Seite auf knapp 3.000m hinauf. Die Aussicht ist spektakulär und die Ruinen der Festung auf dem steilen Bergrücken interessant. Bis zu 300 Häuser auf drei verschiedenen Ebenen, je nach Gesellschaftsrang, wurden einst bewohnt. Dank ihrer Lage und den bis zu 20m hohen Mauern mit ihren drei schmalen Eingängen, wurde die Stadt nie eingenommen. Wir sind nahezu alleine hier oben und als die Gruppentagestouristen ankommen, schon wieder auf dem Abstieg.

Am Abend postiert sich in jeder Ecke des Dorfplatzes eine Mamá mit einem mobilen Küchenkarren und bietet peruanisches Streetfood an. Auf den Plastikszühlen davor sitzen die Nachbarn und tauschen den Tratsch des Tages aus. Wir entscheiden uns für leckere Hühnerspieße vom Grill mit Kartoffeln für 50ct und beobachten das Spektakel von der Parkbank aus. So was sollte es bei uns auch geben.