Cajamarca

21.08.2019 Nuevo Tingo – Cajamarca

Heute also die Straße der Straßen. Nerven aus Stahl sollen wir brauchen für den Weg zurück aus dem Amazonas Becken in das Andenhochland. Zwei Pässe gilt es zu überqueren auf einer Asphaltbahn, gerade mal 2 Meter breit und danach 1.000 Meter freier Fall. Wir sind entspannt, denn bis jetzt waren die reisserischen Berichte und Warnungen eher für Flachland-Indianer geschrieben. Also Andre ist entspannt und Karin findet das beruhigend.

Nach den ersten 50 Kilometer, durch ein wunderschönes Tal bis Leymebamba, treffen wir allerdings auf einen waschechten Schweizer. Der lebt in Mexiko, ist auf Urlaub und gestern die besagte Straße mit seinem Mietwagen gefahren. Er schaut uns tief in die Augen, fragt nochmal, ob wir da auch wirklich fahren wollen, wiegt bedeutungsschwanger seinen Kopf, murmelt was von brutal und verabschiedet sich mit den Worten “passt auf Euch auf”. Nicht nachdem er zuletzt noch darauf hingewiesen hat, er sei ja schließlich Schweizer und deswegen verstehe er was von Bergen.

Schluß jetzt mit dem Geheule, wir fahren los und beruhigen uns damit, dass der Typ aus Basel kommt.

Ach ja, Leymebamba. Der hiesige Tankwart hat uns eine Weiterfahrt ohne Besuch des Museums quasi verboten. Ausserdem würde das genau mit dem Regenguss zusammenpassen, der gleich auf uns niederprasselt. Der dauert nämlich genau eine Stunde und solange brauchen wir für die Ausstellung der Mumien aus der Laguna de Condores. Wir fügen uns und siehe da, es regnet genau eine Stunde. Das Museum ist wirklich sehenswert, die Mumien gruselig, wenn auch nicht ganz so schaurig wie die aus Palermo, und wir starten trocken unseren Höllenritt.

Dass wir dennoch am äußeren Ende unseres Weltendecker Mutes sind, merken wir recht schnell, als es wieder anfängt zu regnen. Wir fahren in dichtem Nebel und das Thermometer pendelt zwischen drei und fünf Grad. Das Ganze mittlerweile auf beachtlichen 3.600 Metern. Vielleicht hatte der Schweizer ja doch … nein, hatte er nicht. Hinter dem ersten Pass klart der Himmel auf und wir sehen ein Panorama, das wir so noch nie zu Gesicht bekamen. Es ist unser erster sensorischer Overload in den Anden. Wir müssen stehenbleiben und das erstmal verdauen.

Die Straße ist tatsächlich recht schmal und die Abgrund ziemlich tief, aber das stört uns wenig. Vermutlich ist es mit einem Auto auch nochmal anders. Wir genießen die schier unendlichen 150 Kilometer und stellen fest, dass wir für dieses Fahrerlebnis weder eine Bewertungsskala noch eine geeignete Beschreibung finden können. Es ist einfach umwerfend und Peru entwickelt sich zusehends zu einem Land auf der Motorradfahrer Weltkarte, das in einer eigenen Liga spielt.

Zwischen den zwei Pässen ändert sich die Landschaft vollständig. Je weiter wir runterkommen, desto karger und wüstenartiger wird es. Und heiß. Bei 35 Grad erreichen wir Las Balzas, das wie eine grüne Oase im Tal liegt. Dort kaufen wir für 50 Cent eine Mango. Wir hätten auch eine vom Baum pflücken können, aber die Marketenderin hats gefreut. Nach der Stärkung kommt der zweite Teil, wieder hinauf auf 3.700 Metern. Der Rest der Fahrt ist nur Genießen. Das macht man am besten still und so herrscht Ruhe auf unseren Radios. Jeder erlebt das Spektakel für sich und auch das ist schön am Motorradfahren: man kann für sich alleine sein. Nur abends in Cajamarca, die glänzenden Augen, die sprechen eine eindeutige Sprache.