San Agustín

22.07.2019 Popayán – San Agustín

Die übliche Gringo Route würde uns über Pasto und die berühmte Kirche von Ipiales nach Ecuador führen. Aber wir folgen dem Tipp der Jungs von Odyssey Motorcycling aus Medellín, verlassen die Panam und fahren nach San Agustín. Die Stadt liegt im Amazonas Gebiet und wartet mit einzigartigen Steinskulpturen aus der präkolumbischen Zeit auf. Einziger Haken ist das 40 km lange Stück Dirtroad. Eine Alternative gibt es nicht. Also, Augen zu und durch. Karin ist entsprechend nervös. Und dann fängt es auch noch an in Strömen zu regnen. Hätte man sich im Dschungel auch denken können. Aber wir hatten schon so lange keinen Regen mehr, dass wir fast vergessen haben, was das ist. Vermisst haben wir ihn nicht. Wider Erwarten läuft es richtig gut. Nach ein paar Kilometern findet Karin sogar Spaß daran um und durch die mit Wasser gefüllten Schlaglöcher zu fahren. Hätte sie vor zwei Tagen nicht gedacht.

San Agustín hat außer einer stattlichen Kirche aus Backstein nicht viel zu bieten. Am Rande befinden sich ein paar Hotels für archäologisch interessierte Touristen. Wir beziehen Quartier im El Maco, das einem ausgewanderten Schweizer gehört und aus kleinen strohgedeckten Hütten besteht. Wir fühlen uns wie im Auenland.

23.07.2019 San Agustín

Gerade angekommen, erfahren wir, dass der archäologische Park am nächsten Tag geschlossen hat. Wir verlängern also unseren Aufenthalt in San Agustín und spazieren stattdessen nach La Chaquira. Auch irgendwas mit Steinskulpturen. Dort kommen wir bei dem steilen Bergauf und Bergab ganz schön ins Schnaufen. Doch es lohnt sich. Am Ende werden wir mit einer spektakulären Aussicht auf das vom Rio Magdalena geformte Tal mit seinen grünen Hängen und herabstürzenden Wasserfällen belohnt. Wir gucken uns die in Fels gehauenen Skulpturen an, sind aber nicht sonderlich ergriffen. Wie es scheint, gibt es sehr subjektive Empfindungen was historische Stätten angeht. Während wir antike Ausgrabungen in Europa oder Teotihuacán in Mexiko tief beeindruckend empfinden, sind diese Steinskulpturen für uns recht primitiv und wenig aufregend. Auf dem Rückweg machen wir Rast bei einem Pferdeparkplatz (der kluge Tourist reitet mit Guide hierher, anstatt über steile, matschige Wege zu wandern) und treffen auf Philipp. Auch er ist in Kolumbien hängengeblieben und erzählt uns bei einem Bier seine Geschichte. Es fasziniert uns immer wieder wie groß die Hürden sind, ein westlich geprägtes Leben mit all seinen Vorhersehungen gegen ein Leben in kolumbianischer Zufriedenheit einzutauschen. Und damit meinen wir nicht die bürokratischen Hürden.

Auf dem Rückweg werden wir von einem Regenschauer überrascht und freuen uns über die Mitfahrgelegenheit, die uns Philipp anbietet. Er fährt zum Einkauf ins Dorf, seine Frau hat den kleinen Sohn auf dem Schoß, auf dem Navibildschirm läuft ein kolumbianisches Schnulzen-Musikvido, wir fahren durch eine Furt, über Schlamm und Schotter, sitzen hinten neben Opa und alle singen mit. Nicht das wir jetzt den Sinn eines Kindersitzes bezweifeln wollen, aber es ist so schön, diese tiefe Entspanntheit zu erleben. Ein Moment, in dem wir die Regelwut und Zwänge unserer westlichen Gesellschaft sehr stark empfinden und beinahe entsetzt sind, wie wir das einfach hinnehmen. Wir verabschieden uns von Philipp und seiner Familie. Wir verstehen ihn.

In San Agustín gönnen wir uns einen lokal angebauten Kaffee aus der Chemex und schauen dem gemächlichen Treiben im Ort zu, bevor wir wieder den Berg zum unserem Tipi hinaufsteigen.

24.07.2019 San Agustín

Vor rund 250 Jahren wurden hier bereits Steinskulpturen entdeckt, die letzten erst 1995. Über die Kultur ist recht wenig bekannt, deswegen wurde sie kurzerhand San Agustín Kultur genannt.
Im archäologischen Park besichtigen wir freigelegte Grabstätten und vor allem die monolithischen Steinskulpturen. Wer mag, kann auf Wikipedia ein bisschen was über den aktuellen Wissensstand lesen. Aber wie schon geschrieben, wir sind höflich interessiert, stellen uns die banale Frage wie die Herrschaften diese riesigen Steindinger wohl bewegt haben und beenden den Tag mit einem leckeren Abendessen in einem Lokal an der Straße. Der völlig entspannte Wirt findet es überhaupt nicht schlimm, dass wir kein Geld dabei haben, wir lassen einfach anschreiben.