13.06.2019 El Salvador – Honduras – Leon, Nicaragua
Der heutige Artikel muss ohne Bilder auskommen. Entweder wurde uns geraten, keine zu machen oder wir waren beschäftigt mit Motorradfahren.
Akt 1: Andre und Interpol
Wie schon mehrfach beschrieben, besteht so ein zentralamerikanischer Grenzübertritt prinzipiell aus vier Schritten:
- Pässe ausstempeln – Ausreisen
- Temporary Import Permission (TIP) für die Motorräder löschen lassen
- Einreisen – Pässe stempeln
- Neues TIP ausstellen lassen
Und da wir das bereits ein paarmal gemacht haben, fahren wir also völlig entspannt zur Grenze in El Salvador für Schritt 1 und 2. Quasi alte Hasen. Nur der Blick der freundlichen Dame des salvadorianischen Zolls passt nicht so recht. Und auch nicht ihre Nachfrage, ob das wirklich Andres Kennzeichen sei. Äh, ja also das Fahrzeug wird von Interpol gesucht. Da war Schluss mit alter Hase. Andre sieht sich schon in einem rattenverseuchten, stinkenden salvadorianischen Loch sitzen. Aber eine halbe Stunde später klärt sich alles auf. Der Gesuchte ist ein Schweizer und da wir zweifellos keine Schweizer sind, können wir weiter.
Akt 2: Der honduranische Fixer
Haben wir schon erzählt, dass die Typen, die an Grenzen wie Schmeißfliegen über uns herfallen um uns “rüber zu bringen”, Fixer heißen? Dank iOverlander App haben wir die bisher profimäßig abblitzen lassen und alles selbst organisiert. So auch in Honduras. Eigentlich ein einfacher Grenzübergang. Bis Joseph auftaucht und sich geschickt an uns dranhängt. Er macht uns auf einen Menschenauflauf hinter der Grenze aufmerksam und tatsächlich wissen wir von anhaltenden Protesten und ziemlich spaßfreien Straßenblockaden zurzeit in Honduras. Wir lassen uns also helfen und passieren recht zügig die notwendigen Posten. Gut so, denn auf der anderen Seite der Straße macht sich schon die Polizei bereit und die ganze Veranstaltung sieht recht ungemütlich aus. Erinnert uns ein bisschen an die Bilder vom G20 Gipfel in Hamburg.
Akt 3: Die Blockade
Mit einem etwas mulmigen Gefühl nehmen wir die 130 Kilometer Honduras in Angriff, allerdings auf einer Strasse, die besser und gepflegter nicht sein könnte. Bis auf die Brandstreifen, die immer wieder darauf hindeuten, dass hier mächtig demonstriert wird.
Das geht bis kurz vor Choluteca gut. Dann ist Schluss – Stau. Wir fahren vorbei und treffen auf einen Strassenhändler, der den wartenden Truckern kühle Getränke anbietet. Er winkt sofort ab und meint, vor heute Nachmittag ist kein Durchkommen. Weiterfahren wäre schlecht, da vorne haben Demonstranten eine Strassenblockade errichtet und die würden sofort unsere hübschen Motorräder anzünden. Eine Umfahrung gibt es zwar, für uns aber auch schlecht, da dort Banden ihr Unwesen treiben und uns ausrauben würden. Wir diskutieren noch eine Weile, dann begleitet er uns bis an die Blockade, um die Lage für einen Durchbruch zu sondieren.
Akt 4: José, der Lehrer
Dort treffen wir José, einen Lehrer, der ziemlich gut englisch spricht. Von ihm erfahren wir mehr über die Demonstrationen und ihre Gründe. Zuerst ging es um ein Gesetz zur Privatisierung von Schulen und Krankenhäusern. Dagegen sind Lehrer und Ärzte auf die Straße gegangen. Jetzt fordern aber weitere Bevölkerungsschichten den Rücktritt des Präsidenten, der zwar korrupt ist, aber solange er von den USA unterstützt wird, kaum zurücktreten wird. José selbst sagt, er wäre schon froh, wenn er für sein Klassenzimmer Stühle und Tische bekommen würde.
Mannomann, was für ein Schlamassel. Der Ablauf ist jetzt wie folgt: die Demonstranten bringen soviel Stacheldraht aus wie möglich, zünden einen Haufen Autoreifen an und stellen LKWs quer. Irgendwann kommt die Polizei und löst das Ganze mit Tränengas und schwerem Gerät auf. Und da wird nicht lange gefackelt. Dann geht die Chose an einer anderen Stelle von vorne los.
Wir haben viel Verständnis für José und wünschen ihm viel Glück. Er uns auch. Achja, kurz bevor der Reifenstapel lichterloh brannte, haben wir es tatsächlich noch durch geschafft und nach einer kleinen Rutschpartie durch Schlamm und Wiese waren wir wieder auf der Straße.
Fazit
Ratlosigkeit. Was wenn grundlegende Rechte plötzlich nicht mehr gelten? Wenn der eigene Staat nicht mehr funktioniert? Wenn eine korrupte Bande die Bevölkerung arm hält? Wir fühlen uns klein und ratlos und sind dankbar für unsere Politiker, die EU und dem Privileg hier reisen zu dürfen.