Stahlratte

25.06.2019 – 28.06.2019

Die Stahlratte. Der Fixpunkt. Seit den ersten Überlegungen zu der Reise begleitet uns dieses Schiff. Drei Monate sind wir unterwegs, immer mit dem Spruch: “die einzige geplante Verabredung haben wir am 25.06. in Panama, dort wartet die Stahlratte um uns über das Darién Gap zu bringen”. Das ist heute. Wir lassen Panama City hinter uns, sind schnell wieder im Regenwald unterwegs und erreichen bald Guna Yala.

Guna Yala ist ein autonomes Gebiet, in dem das Volk der Kuna lebt. In jahrzehntelangem Kampf haben sie der Regierung von Panamá die Autonomie abgetrotzt. Die Kuna leben traditionell auf den vorgelagerten Inseln, die komplett mit Hütten bebaut sind und bewirtschaften den Küstenstreifen. Sie sind Selbstversorger und leben abgeschottet von der Aussenwelt. Ihre Eigenverwaltung ist einzigartig und sie konnten wie kaum eine andere Ethnie Südamerikas ihre Kultur und Identität bewahren.
Es sind auch die Kuna, die – neben Edwin, dem Matrosen – uns in Empfang nehmen. Fotos von ihren Gesichtern machen wir keine, denn nach Kuna-Überzeugung geht dabei ein Stück der Seele verloren. Uns begegnen die Kuna noch ein paar mal in den kommenden Tagen und es ist schön zu beobachten, wie dieses Volk in großer Harmonie mit ihrer Umwelt lebt und nicht Opfer der westlichen Glitzerwelt wird.

Aber genug der ethno-intellektuellen Begeisterung. Wenden wir uns der Stahlratte zu. Was für ein cooles Projekt. 1903 wurde der Segler in Holland für die Hochseefischerei gebaut und landete nach mehreren Um- und Ausbauten in den 80er Jahren in den Händen einer deutschen Kommune, die damit um die Welt segelte, letztlich aber an dem enormen Aufwand der Erhaltung scheiterte. Just zu der Zeit trat Ludwig, der Kapitän, auf die Bildfläche. Heute gehört das Schiff einem Berliner Verein, die Mannschaft wird nicht entlohnt, die Einnahmen werden zum Erhalt verwendet.
Ludwig und seine Crew segeln ein halbes Jahr zwischen Panama und Kolumbien und sind auf den Transport von Motorrädern spezialisiert. Das andere halbe Jahr kann man eine Passage zwischen Mexiko, Kuba mit 14 Tage Motorradrundreise, Jamaika und Kolumbien buchen .. wie? .. bitte? .. ja, genau haben wir uns auch überlegt. Das wäre doch was! Man braucht ja schließlich noch Pläne.

Nachdem alle Motorräder verzurrt sind, die Kojen bezogen sind und sich alle vorgestellt haben, sind die Easyrider spontan zu waschechten Seemännern geworden und wollen die Segel hissen. Aber Kapitän Ludwig kommt jetzt mit so Haarspaltereien, dass kein Wind ginge und schmeißt den Diesel an. Gut, dann halt ein Bier an Deck und Karibik gucken.

Wir tuckern vorbei an den Kuna Inseln, man grüßt sich durch lautes gestikulieren und halten Kurs auf die San Blas Islands. Andre liegt im Bugnetz und liest, Karin döst unter Deck. Nach ein paar Stunden plötzlich die Ankerkette. Als wir aus dem Bullauge blicken, trauen wir unseren Augen kaum. Was wir sehen ist so wunderschön, man möchte gezwickt werden. Wir ankern zwischen zwei Palmeninseln, die ohne jeglichen Instagram Filter auf die TUI Titelseite gedruckt werden können. Nichts wie raus ins Wasser und abkühlen, schnorcheln, den Strand erkunden, einmal die Insel umrunden. Was für eine schöne Welt auf der wir leben.

Zurück an Bord läuft die Kombüse zu Hochtouren auf. Wir sitzen völlig beglückt um die große Tafel und essen Huhn mit Jamaika Kartoffeln. Ludwig nickt und nuschelt, dass dieser Ort etwas besonderes ist. Man spürt, dass es einer der Plätze auf der Welt ist, der niemanden kalt lässt. Auch nicht, wenn er schon unzählige Male da war.

Wo wir gerade so gemütlich beisammensitzen. Unsere Mitfahrer sind Casey, ein Jugendarbeiter aus Kalifornien und Michael, ein Arbeiter aus Chicago, die beide reisen bis das Geld alle ist. Fink, ein Designer aus Mexico City, der alle seine Habseligkeiten verkauft und sein Leben auf die Straße verlegt hat. Thomas, ein deutscher Radler, der schon seit fünf Jahren unterwegs ist, die Welt zu erkunden und Julia, die einfach nur von Panama nach Kolumbien zu einer Hochzeit reist. Auf keinen Fall dürfen Nouba und Cosa vergessen werden. Die zwei Hunde sind sozusagen auch GS Fahrer. Das ist jetzt schwer zu beschreiben, das muss man sehen.

Nach dem Abendessen gibt es eine kleine Planänderung. Wir schippern nach Sapzurro und von dort der Küste entlang nach Cartagena. Das ist magenfreundlicher, denn auf der direkten Verbindung sind 4-5 Meter hohe Wellen zu erwarten. Vielen Dank, Ludwig!

Sapzurro ist eine Bucht, die bereits in Kolumbien liegt, aber in einem Teil, der nicht über Straßen erschlossen ist. Hierher muss man übersetzen und laut Ludwig ist es der Traum eines jeden Kolumbianers einmal hier Urlaub zu machen. Können wir verstehen, es ist wirklich spektakulär. Genauso spektakulär wie die Boxen, die eine Party beschallen und damit gleich die ganze Bucht. Es begleitet uns schon seit einer Weile: je lauter die Musik, desto schlechter ist sie. Und die Kolumbianer mögens sehr laut. Wir haben trotzdem noch einen traumhaften Karibiktag und nach Landgang und ein bisschen in der Bucht planschen, brechen wir auf in Richtung Cartagena.
Den Tag auf See nutzen wir für ein paar Reparaturen, Austausch von Reisegeschichten und Konzentration auf den Horizont. Die Seebären haben zwar mittlerweile Segel gesetzt, sind aber angesichts – laut Ludwig lächerlicher – Wellen recht kleinlaut geworden.

Abends ankern wir im Hafen, machen Bekanntschaft mit der Hitze von Cartagena und bereiten uns langsam auf festen Boden unter den Füßen vor. Also: wer je das Darién Gap überwinden möchte, die Stahlratte ist eine echt gute Option!